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Nochmehr Wertach-Vital?

       

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Seit Beginn des Projektes "Wertach Vital" wird eine sonderbar einheitlich auftretende Gruppe von Lobbyisten oder sonstigen Fürsprechern nicht müde, die engagierte Naturnähe und ökologische Sinnhaftigkeit der Sache zu preisen. Sonderbar müßte doch eigentlich wirken, daß es in allen Bekundungen im Grunde um Hochwasserschutz geht - dieser aber nie häßlich sei, sondern immerzu auch Segen für Mensch und Landschaft.

Man mißt dem Umbau des Flusses eindeutig landschaftsveredelnde Wirkungen bei und fühlt sich alles in allem über jeden Zweifel erhaben. So ähnlich kennt man das sonst nur von Baugroßprojekten, Stuttgart 21 oder dem Eurorettungsschirm.

Tatsächlich fällt es nicht schwer, auf einem Spaziergang entlang der Wertach (Bereich Luidpoldbrücke bis Kulperhütte) Spaziergängern zu begegnen, die fassungslos und fast weinend vor der Landschaft stehen. Die angesichts der aufgestellten Erklärungstafeln die Suche beginnen, was denn gemeint sein könnte oder ob das ganze hoffentlich bloß ein makabrer Bubenstreich sei.
Es ist keiner. Man hat sie mit viel Geld um die Schönheit der Landschaft gebracht.
In brutal wirkender Unnachgiebigkeit wurden immer wieder große Kontingente an Bäume gefällt.
Und dabei machte man auf diesen Abschnitten keine Gefangenen.
Obendrein, wie es scheint, ergab sich der größte Genuß bei alten und stattlichen Bäumen. Bei denen, die man am liebsten hat. Man gewinnt den Eindruck, hier wirke jemand fast ungebremst, der den Baum zum Feind hat.
Wer kann das sein?

Das Bäumefällen ging ja weiter und weiter. Mittlerweile, Winter 2010/2011, hat man die Inselwiese vor der Kulperhütte platt gemacht. Wo soll dort ein Hochwasserschutz den Grund noch liefern?
Soll alles steinern und unansehnlich werden?


Hier ein paar Fakten und Erklärungen, die Sie sonst nicht erhalten:
Das Pfingsthochwasser 1999 in Pfersee kam von hinten. Nicht direkt vom Fluß her - wie sich das immer liest. Der Damm unterhalb der Gögginger Brücke nach Wellenburg hatte sich verklemmt bzw. stellte ein zu großes Hindernis dar. Das gestaute Hochwasser lief dann seitlich über die Schafweidesiedlung ab und kam auf diesem Weg  nach Pfersee. Keines der vorhandenen Ufer flußabwärts dieser Brücke war zu niedrig gewesen. Dort ist nirgends etwas übergelaufen. Ein logischer Hochwasserschutz hatte also zunächst die Organisations- und Stauanlage am Gögginger Wehr besser zu dimensionieren und gegebenenfalls (was getan wurde) im Flußbereich oberhalb ergänzende Maßnahmen zu schaffen.

Das Pfingsthochwasser hatte den beliebten Goggelessteig unterhalb der Luitpoldbrücke vorgeschädigt. Ein Folgehochwasser unterspülte dann die Anlage, so daß man auch hier etwas tun mußte.
Man stabilisierte oder renovierte die Anlage aber nicht, sondern räumte sie ab.
Dabei beseitigte man fast den gesamten Rest der Staustufe Goggelesteig. Ansonsten tat man monatelang nichts.
Zum Verständnis: Der Goggelsteig war nur teilweise Überweg, er war vor allem auch Staustufe und Kontrollstelle der Pegelhöhe der Wertach.
Da es unterhalb der Goggelesanlage eine große Vertiefung zum Wolfzahnaudreieck hin hatte, kam der Goggelesanlage die Eigenschaft zu, einen sehr weiten Bereich der flußaufwärts befindlichen Wertachwasser im Pegel faktisch endzuregulieren.
Nachdem der Goggeleswehr fehlte, kam es notwendig zu einer größere Eingrabung der Wertach. Wie man bei Spaziergängen sehen konnte, zog sich die Eingrabung trotz vorhandener Zwischenanlagen fast bis zur Kulperhütte hoch. Die Eingrabung betrug stellenweise fast einen Meter. Sie legte die Wurzeln der ufernahen Bäume frei.
Diese Eingrabung führt man nun, immer wieder lesbar, pauschal auf eine zu hohe Fließgeschwindigkeit der Wertach "vor Wertach-Vital" zurück, auf ein zur Eintiefung neigendes Flußbett, eventuell auf frühere Hochwasser.
Man habe mit "Wertach Vital" dann endlich passend gehandelt.

Das stimmt so nicht. Im Bereich Goggelessteig bis Gögginger Wehr befand sich der Fluß vor Wertach-Vital in einem stabilen Zustand, was sein Ufer angeht. Diese Ufer waren mit vielen Bäumen und dichtem Wurzelbewuchs versehen, wie man das auf unveränderten Wertachabschnitten heute noch sieht. Dort gab es offenbar auch keine Notwendigkeit, abzuholzen. Bäume sind bereits eine gute natürliche Uferbefestigung. Ansehnlich  und günstig dazu.

Die häßlichen Befestigungen der Ufer mit ortsfremden Steinquadern wurden im genannten Bereich tatsächlich nötig, weil der Fluß sich aufgrund des nun fehlenden Endwehrs am Goggelessteig eingegraben hatte. Wenn man an der Goggelesanlage die alte Flußstufe gleich wieder mit Steinblöcken aufgeschichtet hätte, wäre die weitere Absenkung des Flusses im unteren Bereich unterblieben. Aber das Ganze 
kam irgendwie wohl nicht ungelegen und es bietet zusammen mit dem Hochwasser bis heute ein passendes Argument für Baumaßnahmen.



Ein Hochwasserschutz kann sich aus den umgesetzten Ufergestaltungsmaßnahmen nur spärlich ergeben:

Dort wo man dem Umland keine ergänzenden Flächen nehmen konnte (wie bei den Kleingärten), war eine echte Verbreiterung der Flußaue kaum möglich. Man konnte lediglich die Ufer glätten und erhielt dadurch für den Fluß ein klein wenig mehr Volumen.

Die Fließspielereien, mit denen man die Flußsohle nun versah, sollen die Fließgeschwindigkeit der Wertach mindern. Dies soll gleichbedeutend damit sein, daß der Hochwasserschutz auf die Art verbessert sei.
Ich kann das logisch nicht nachvollziehen. Weniger Fließgeschwindigkeit bedeutet nicht automatisch mehr Hochwasserschutz. Man müßte das genauer darlegen. Schon der erste Anschein spricht dagegen: Weniger Fließgeschwindigkeit bedeutet eher mehr Hochwasser, weil das Wasser langsamer abfließt.

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Ein wirkliches Hochwasser, so wie 1999 und nachfolgend vielleicht noch höher, kümmert sich nicht um Fließspielreien in der Flußsohle.
Die installierten Fließespielreien funktionieren lediglich bis zu höherem Mittelwasser. Sie sind vor allem ein Blickfang für Spaziergänger. Sie sind eine vorzeigbare Aktion und sollen für Wertach-Vital ersichtlich so etwas wie das Erkennungsmotto bilden.

Bei Hochwasser nimmt sich der Fluß sein Bett. Er bringt Material mit, er veschiebt und lagert neu an. Er lagert um und räumt auch all das aus, was sich seiner Dynamik in den Weg stellt. Und er wird die Fließspiele ebenfalls beseitigen oder umlagern.

Einen echten Hochwasserschutz erhält man u.a. durch höhere und verbesserte Dämme und Wehre.
Die Maßnahmen, mit denen Wertach-Vital versucht auf sich aufmerksam zu machen und denen es plakativ die wesentliche Wirkung zuspricht, haben mit solchem Schutz nichts zu tun.

Hochwasserschutz bestünde noch darin, dem Fluß mehr Flußbett oder kontrollierten Auslauf einzuräumen. Das ist sogar der einzige halbwegs natürliche Eingriff und eine Renaturierung, die die Bezeichung verdient.
Solches hat Wertach-Vital nur insoweit umgesetzt, als die Flußuferkrone nun an vielen Stellen mit einer Krümmung versehen wurde. Das bingt tatsächlich etwas mehr Volumen für den Fluß.
Was bei Hochwasser aber zählt, ist die gesamte Aufnahmefähigkeit des Flußbettes.
Die Maßnahme bringt insofern relativ wenig, sie stellt nur eine geringfügige Verbesserung des Hochwasservolumens dar. Man muß sozusagen hoffen, daß zukünftige Hochwasser über Wertach-Vital informiert sind und sich aus Höflichkeit innerhalb der umgesetzten geringfügigen Schutzmaßnahmen bewegen werden. Die vorgenommene Krümmung ist eher eine symbolische Maßnahme. Es drängt sich die Frage auf, ob hier nicht einfach ein Hochwasservorwand benutzt und passend designt wurde, um angenehm verdienen zu können..


Insofern schließt sich der Kreis. Zur Baumaßnahme, die über ein paar wirklich effektive und nötige Dinge hinausging, brauchte man einen Grund. Dieser findet sich im komplexen Marketingebilde "Wertach-Vital".
Und für die als notwendig bezeichnete zusätzliche Ufergestaltung brauchte man Handlungsspielaum an den Ufern. Dies erreichte man, indem die fahlässige Einsenkung durch den Goggelesbrückenausfall als Eingriffsvorwand mitbenutzt wurde. Weiterhin konnte man es als logisch hinstellen, daß ein Ufer nur dann neu aufgebaut werden kann, wenn man dort auch ungehindert wirken kann.
Also mußten die vorhandenen Bäume weichen.
Bäume konnte man also zunächst dort fällen, wo sie aufgrund der beschriebenen Absenkung umsturzgefährdet schienen. Für weitere Fällarbeiten konnte man auf die notwendige Umgestaltung verweisen.


Festzuhalten ist, daß immerhin die durch das Pfingsthochwasser beinträchtigte Luitpoldbrücke aufwendig hochdimensioniert wurde und seit Ende 2003 fertiggestellt ist. Sie ist dadurch in sich deutlich hochwassergeschützter.
Festzuhalten ist, daß der Gögginger Wehr hochwaserfester gestaltet wurde.
Beides sind jedoch ersichtlich keine Dinge, für die ein "Wertach-Vital" nötig war.
Ob die Befestigung der Ufer mit Wackersteinen eine Verbesserung darstellt, wäre abzuwarten... Es gab an einigen Stellen bereits davor eine Uferbefestigung mit gefügtem Steinwerk, außerdem war praktisch durchgehend stabilisierender Wurzelbestand vorhanden.
Das einzige halbwegs brauchbare Argument, welches für eine Entfernung der Bäume spricht ist, daß dann bei Hochwasser keine Äste oder vereinzelte schwache Bäume mehr in den Fluß fallen können. Die Gefahr des Zuschwemmens von Wehranlagen wird verringert, der Abfluß ist besser gewährleistet. Natürlich ist das aber keine Renaturierungsmaßnahme, im Gegenteil.
Ein paar Fließspiele im Flußbett, eine teilweise Ankrümmung der Uferkrone, das Aufstellen von Bänken, das Ersetzen von Kleingärten durch Rasen und einzelene Jungpflanzen des Bauhofs, sowie das Aufstellen von Marketingtafeln, machen auch keine daraus.
Ehrlich und transparent wäre es gewesen, Wertach-Vital überhaupt nicht zu vermarkten und als das vorzustellen, was es ist, eine landschaftsgestalterische Maßnahme für diejenigen Spaziergänger und Hundebseitzer, die ausgeräumte Landschaft mögen - und als ein Vergabeprojekt zugunsten profitierender Bauträger entlang der dort vorhandenen Gestaltungsvision. Stattdessen behauptet man besseren Hochwasserschutz und Renaturierung. Schon das Ei des Kolumbus konnte nur stehen, weil es auf den Tisch geschlagen wurde. Ob Wertach-Vital beim nächsten großen Hochwasser wenigstens keinen Schaden anrichtet oder ein Kuckucksei bleibt, wird sich zeigen.


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Zuletzt geändert: 01.11.2017, 10:55:10