GalaMolens Gesamtdatei (0,4 MB pdf)
Gala
Molens ist der Versuch eines Gesamtkunstwerks aus lyrischen,
essayhaften und romanartigen Versatzstücken. Leitstruktur ist die
Übergabe von als naturwesentlich wahrgenommener Erscheinungs- und
Reproduktionsvorgängen an die schriftliche Formen- und Rhythmenbildung.
DIese Vorgänge zielen auf Unbekanntes, was im Grunde bekannt ist. Sie
erliegen Zyklen, die zum Anfang zurückführen und doch immerzu Neues
schaffen. Die sprachlichen Ergebnisse beleuchten in ihrer
Abbildhaftigkeit das immerwährend Gleiche unserer Welt. Sie unterliegen
deren Schichtungen und ergeben eine Ganzheit, die im
treffendsten Falle die abstrakt einzige Geschichte ist,
welche geschrieben werden kann. Sie ist Kombination von Form und
prima materia. GALA MOLENS |
Beipackzettel !
Gala Molens ist eines der wirksamsten zur Zeit bekannten Mittel gegen: Apathie, religiöse Hypertonie, monetäre Schizophrenie, nekröse Misantropie, spastische Gewinnsucht und anämische Phantasie.
Das Präparat wurde in langen Testreihen, Analysen, Dissolysen, Kulminationen und Destillationen hergestellt und jetzt auch für den Handel freigegeben.
Gala Molens ist rezept- und kinderfrei. Gala Molens lebt. Gala Molens enthält Begriff, Prinzip, Idee in wohlbekannter Dosis. Die genaue Zusammensetzung ist verständlicherweise geheim.
Die unverwechselbare Vitalität des Präparats stammt jedoch nicht.aus einer Theorie, sondern aus einem 4. Bereich jenseits der Idee.
Gala Molens ist Einheit für Teilheit und Teil für Ganzheit. Es entsteht nach dem Entleeren bestimmter Schubladen von Zeit und . Raum aus dem brachliegenden Durcheinander allein durch die Einwirkung der Gezeiten. In rekursiver Selbstorganisation weist es über sich selbst hinaus. Es ist uns bekannte Teilordnung in vielen möglichen Teilordnungen. Es ist verbindliche, lebende Ähnlichkeit.
GALA MOLENS Beipackzettel !
Der Hersteller war allerdings bemüht, das Präparat, anders als diese Hinweise hier, allgemeinverdaulich zu halten. Er vermied deshalb weitestgehend den Gebrauch von Fachausdrücken, Spezialumständen und sonstigen gebildeten Duseleien. Dies geschah, wie angedeutet, nicht aus Dummheit oder fehlender Bildung, sondern im Ringen um eine allgemeine Wiederbelebung der einfachen Einbildungskraft. Die verarbeiteten Metaphern und Symbole stammen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, aus natürlichem Anbau.
Gala Molens enthält kreative Grundessenz - gegen die leeren Mengen unserer Zeit. Gala Molens bitte sehr sparsam anwenden.
Bei Abusus kann es zu Irritationen und Blähungen, im Extremfall zu Neuralgie und geistiger Parästhesie kommen. Bei Unsicherheit bitte Rücksprache mit ihrem Seelsorger oder Kunstberater halten.
Sonstige Nebenwirkungen oder Gegenanzeigen sind unbekannt. ****
Regensburg im April 1992 GALA MOLENS ist eine Zusammenfassung ausgewählter Texte, die von Herbst 1984 bis Herbst 1991 geschrieben wurden. Dies entwickelte sich vor allem aus Anregungen durch Theaterarbeit am REGENSBURGER STUDENTENTHEATER (Herbst 84 bis Frühjahr 87). Ergänzend wurde das Theaterspiel LIMOSELLA erstellt. Zum Verständnis der Gesamtstruktur aller Werke ist es nicht unwichtig. In Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen, Stoffen, Ansichten, insbesondere den Reaktionen der Theatermitspieler auf den zeitgenössischen Kontext habe ich versucht, von der verbreiteten Meinung, Theater müsse als (aufrüttelndes) Abbild der 'Weltsituation' logischerweise auch deren Zersplitterung und Zerfahrenheit mitmachen - abzuweichen. In innerer Weiterentwicklung der zeitgenössischen Situation wurde versucht, eine der 'klassischen' Handlungseinheit von Ort, Zeit und Raum ähnlich verbindliche Struktur zu schaffen. Da das Triviale und Abgegriffene möglichst vermieden werden sollte, musste neue lebendige Ganzheit gebildet werden.Aus dem Festhalten dieses Ansatzes entstand dann fast zwangsläufig auch das Werk GALA MOLENS. Mit dieser Linie spüre ich Verwandtschaft zu Filmemachern wie z.B. Tarkowski , Vertretern der 'land art', des 'performance dance' und natürlich zu den sicherlich vorhandenen, ähnlich denkenden Literaten. Leitidee ist jedenfalls eine Art von "balancing". Die Struktur des Bemühens sei abhängig vom 'gesellschaftlichen Ungleichgewicht' - was auch immer darunter verstanden wird. Die durch das "balancing" entstehenden Reaktionsmuster geben den Rhythmus der Gedanken und der Sprache vor. Dadurch bilden sich selbstähnliche Muster, die unabhängig von der benutzten ´story´ wirken können. Die gewebten und sich selbst webenden 'Daseinsteppiche' geben den Boden für die oben erwähnte und angesteuerte - neue lebendige Ganzheit. Regensburg im April 1992
Kaltmeier im Spiegel der Sonne Ungewöhnliche Dinge geschehen im Kloster Metten. Angeregt durch gregorianische Gesänge sind die Deckengemälde zu frischem Leben erwacht und auch die Gesänge selbst wollen einfach nicht mehr enden. Referendar Kaltmeier, eben erst dem Amtsgericht Straubing zugeteilt, wird von Richter Geiger mit einem klärenden Gutachten betraut. Doch das Gutachten kommt schon zu spät. Die Ereignisse sind schneller und entführen Richter, Sekretärin und Refrendar erst in nahe Bergregionen, dann in metaphorische Erlebnisse, durch die ihnen ein mit sich selbst vernetztes Dasein gegenübertritt. Sie begegnen dichtenden Wildschweinen, seltsamen Wissenschaftlern, eigenwilligen Schäfern und sprechenden apokalyptischen Reitern. Endlich zurück im Amtsgericht begreifen sie, daß die ganze Welt in Auflösung begriffen ist. Richter Geiger, obwohl schon seit längerem Mitglied im Geheimbund der Erdbeersammler, ist mit seinem Latein am Ende. Erst bei Klosterpater Augustin in Metten kommt für alle etwas Licht ins Geschehen. Richter Geiger fährt nun in die Wüste, um sich neuen Aufgaben zuzuwenden, während sein Kollege Schwarzkopf auf den Mond katapultiert wird. KALTMEIER IM SPIEGEL DER SONNE ist das jüngste Werk in Gala Molens, wurde Januar 89 begonnen und etwa September 91 fertiggestellt. Das Arbeitsmotto war ein etwas anderes als beim Oldenburger System. Nichtmehr sprachliche Gestaltung für etwas primär als nicht ausdrückbar Empfundenes, sondern Fortführung und Verwandlung eines mehr ironisch/satirischen Ansatzes bestimmten die Arbeitsweise. Insgesamt wurde dann aber doch eine ähnliche Architektur wie im Oldenburger System angestrebt und erreicht (vor allem Verbindung linearer und zyklischer Elemente). Stimmungsmäßig beginnt das Stück etwa dort, wo das O.S. endet und ist dessen atmosphärische Fortsetzung. Enthalten ist wiederum
auch Zeitkritik. Die als Referendar gemachten Erfahrungen mit den
Schmiedeöfen der Rechtsordnung sollten kreativ umgesetzt werden, in der
Hoffnung wenigstens so dem als lebensfeindlich und sklerotierend
empfundenen "Normativen Denken" der Juristerei zu entkommen. Die Auswüchse dieses
Denkens werden beispielhaft aufgeführt, während die von böhmischen
Winden getragene Suche des Referendars diesen schrittweise in die
Kreativität zurückführt. Das geht einher mit einer sukzessiven
Beruhigung der Sprache und des Rhythmus, im Bereich der 'kreativen
Seite'. Die
linear/zyklische Struktur des Geschehens unterstützt den genannten Prozeß.
Weitere stützende Elemente, aber auch schon Teil einer übergeordneten
Anschauung, sind das Handeln des Referendars als dreifache Person -
zumindest vorübergehend, die Mehrschichtigkeit und Parallelität der
Situationen und Strukturen, das Arbeiten mit einer Gesamtstruktur. Dazu
gehört, daß die Lösung des dargestellten Konflikts zum Schluß mit einer Teilung der 'Welt' auszugleichen ist. Durch den Spiegel des Verstands erscheint das Geschehen daneben auch gleichzeitig auf tieferen/höheren Daseinsschichten (Psyche, Person, Gruppe, Staat, nationale Kultur, historische Kultur, Archetypus). Das synoptische Gesamtbild ist eine Reminiszenz an ein Bild von Manfred Sillner, das eine Abwandlung eines Gemäldes von Albrecht Altdorfer ist und die Stadt Regensburg mit Donaubogen zeigt.
Das Oldenburger System Es ist Sommer in Regensburg. Der Student T. sitzt sinnierend auf einem Brett im Dach und betrachtet Hinterhöfe, Biergärten, Mauern und Mansarden. Die um die Domspitze kreisenden Vögel im Hintergrund werden ihm zum Vexierbild für sein ungelöstes Dasein, aus dem er sich durch allerlei Kraftanstrengungen zu befreien versucht. Die Lösung ist scheinbar unmöglich, umsomehr als er das Rätsel um seine Existenz durch eine phantastische Abbildung in unendliche Dimensionen vermehrt wähnt. Trotzdem unternimmt er, immernoch sinnierend, weiterhin Ausbruchsversuche. In Gestalt einer Zeitreise kommt er schließlich den Urhebern des Schlamassels auf die Spur. Es gelingt ihm zufällig, das Geschehen in andere Bahnen zu lenken, dann muß er fliehen und findet sich leicht verändert am Ort seines Studienzimmers wieder. Es ist Sommer in Regensburg, die Biergärten sind gut besucht, der Alltag ist nicht kleinzukriegen, doch das Dasein hat sich neu zusammengesetzt, ist grundsätzlich neu geworden, aber noch merkt man es nicht so recht. DAS
OLDENBURGER SYSTEM stammt im wesentlichen aus Oktober 86 - März 87,
wurde aber in der Folge mehrmals überarbeitet. Die Darstellung
entspricht zunächst klassischer Manier der Phantastik, hangelt sich
über den Tagebuchstil an einem novellistischen Ereignis hoch, stellt
sich aber auch unausgesprochen dauernd selbst infrage, um dann nach
einigen dialektischen Verwandlungen das Wesen ihrer Dialektik, einer
sonderbaren Verknüpfung von Zeit und Raum, zu entdecken.
Launen im Kalk LAUNEN
IM KALK sind geistig/emotionale Schwingkreise, aus denen sich
topologisch das Gesamtwerk Gala Molens definiert, allerdings in anderer
Kategorie.
Limosella LIMOSELLA entstand im wesentlichen Mai/Juni 86. Das fragmentarische Vorspiel wurde erst Februar 92 im Zuge einer Gesamtüberarbeitung ausformuliert. Das Stück soll die zeitgenössische Situation unserer Tage widerspiegeln, die der Autor durch das Werk auch erst zu begreifen und begreifbar zu machen versucht. Es arbeitet mit Versatzstücken des Absurden Theaters, das es aber zu überwinden versucht. Es enthält das Problem der Umweltzerstörung, Hedonismuskritik und Kritik des Wissenschaftswahns. Die Umsetzung auf der Bühne durch bestimmte Archetypen ist an der Dynamik von Natursehnsucht und Kulturvernarrtheit einerseits, Naturangst und Bedrohung durch menschliche Kultur andererseits angesiedelt. Ausgangspunkt ist das unvereinte Deutschland vor der sog. Wende mit seinem zeitgenössischen Anteil am 'schizoiden' abendländischen Kulturgut (dargestellt v.a. durch Symmetrie der Bühne), der Teilung in Ost und West, Subjektverlust und Fremdbestimmung durch die Wirtschaftskultur bis in die Träume hinein, 'deutschem' Ordnungsdenken bei ständiger Gefahr des Abrutschens ins Urtümelnde und Faschistoide. Die spätere Wiedervereinigung wurde implizit schon mitdargestellt. Darüber hinaus ist das Geschehen Parabel nicht nur für deutsche Ereignisse, sondern für einen kulturhistorischen Punkt der Gesamtkultur, die nach einer chaotischen Phase neu definiert und auf sich selbst besonnen globalen Aspekten gegnüber stehen kann. Der Charakter der Stückes ist in etwa: archetypisches Theater, lehrstückhafte Posse.
Regensburg im April 1992 |
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